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325 Jahre Neu-Isenburg – 149 Jahre Feuerwehr – Teil VIII: Brandschutz zur Zeit des Nationalsozialismus

24.03.2024

Schon kurz nach der nationalsozialistischen Machtergreifung konnte man die Vorboten einer neuen Zeit erkennen. Als sich die FFNI im Juni 1933 zu einem Gruppenfoto anlässlich der Beerdigung ihres Kommandanten Karl Nuß vor dem Feuerwehrhaus versammelte, wehte neben dem Trauerflor und der hessischen Flagge eine Fahne mit dem Hakenkreuz. Unser ehemaliger Stadtbrandinspektor Karlheinz Müller hat auch im dunkelsten Kapitel seit Existenz der FFNI recherchiert:

„Mit dem am 1. Januar 1934 in Kraft getretenen Gesetz über das Feuerlöschwesen hat auch die FFNI ihren Status als „Verein“ verloren. Die Berufsfeuerwehren wurden zur „Feuerschutzpolizei“ umbenannt und mussten die grüne Polizeiuniform tragen; die Freiwilligen Feuerwehren erhielten die Bezeichnung "Feuerlöschpolizei" und behielten weiterhin ihre blaue Uniform. Mit diesen neuen Bezeichnungen galten sie dadurch als Hilfspolizeitruppe. Sie waren damit der Polizeibehörde unterstellt. Der auf die Freiwilligkeit hinweisende Zusatz entfiel vollständig.

Praktische Zahlungspflicht aber politischer Kontrollverlust

Gemäß einem Runderlass musste das traditionelle Rot der Feuerwehrfahrzeuge im März 1937 dem Dunkelgrün der Polizei weichen. Mit dem am 23. November 1938 erlassenen Reichsfeuerlöschgesetz wurde den Ländern die Kompetenz für das Feuerwehrwesen entzogen. Zwar mussten die Kommunen (Städte und Gemeinden) weiterhin alle Kosten beispielsweise für Personal, Gerät und Unterkunft tragen, die Dienstaufsicht ging jedoch auf das Reich über. Die Feuerwehren unterstanden als Teil der Ordnungspolizei dem Reichsführer SS und dem Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Inneren.

Novemberpogrom 1938: Heim des Jüdischen Frauenbundes angezündet

Knapp zwei Wochen zuvor spielten sich in der Taunusstraße schlimme Szenen ab. Ich zitiere Auszüge aus dem Gedenkbuch der Stadt Neu-Isenburg für das „Heim des Jüdischen Frauenbundes“ in Neu-Isenburg:

„Während des Novemberpogroms 1938, am Abend des 10. Novembers, brannten angesehene Bürger Neu-Isenburgs das Haus I (Verwaltung, zentrale Küche und Kinderunterkunft) nieder und beschädigten Haus II (Schwangere und junge Mütter mit ihren Kindern). Zuvor waren sie durch die Stadt gezogen, hatten Geschäfte geplündert, Menschen geschlagen und gedemütigt und im Haus des jüdischen Textilhändlers Max Pscherowski Feuer gelegt. Abends um 19 Uhr überfielen sie das „Heim des Jüdischen Frauenbundes“ in der Taunusstraße Nr. 9. Sie jagten die verängstigten Kinder und ihre Betreuerinnen – knapp 100 Personen – in den Hof. Es war ein kalter Novemberabend, die Kinder durften nicht einmal ihre Mäntel mitnehmen. Die Gewalttäter warfen das Mobiliar aus dem Fenster des Haupthauses in den Hof und zündeten das Gebäude vor den Augen der Bewohner und Bewohnerinnen an. Später dann ließen einige aus der Horde der Nationalsozialisten zumindest die Kinder in das Haus II gehen, um ihre Winterbekleidung holen zu können.“

Soweit ich aus Erzählungen weiß, hat das Landratsamt als zuständige Polizeibehörde die Feuerwehr angewiesen, passiv zu sein, also nicht zu löschen. Es unterblieb deshalb auch die sofortige Alarmierung der Feuerwehr. Die FFNI konnte daher erst viel zu spät ausrücken und durfte nur die Nachbarhäuser sichern. Dadurch wurde das Anwesen Pscherowski in der Frankfurter Straße und das Haus des Jüdischen Frauenbundes in der Taunusstraße, ein Raub der Flammen.

Aus Schilderungen geht hervor, dass am nächsten Tag einige beherzte Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr zum jüdischen Heim kamen. Sie bahnten den Heimbewohnern einen Weg durch die Trümmer in die Kellerräume, in denen noch Lebensmittel lagerten, um zu retten, was zu retten war.

Es fällt schwer aus heutiger Sicht das Verhalten der Feuerwehr zu beurteilen. Sicherlich waren wie überall in dieser Zeit, auch in der Isenburger Wehr alle Facetten politischer Einstellungen vertreten. Wie muss sich ein engagierter freiwilliger Feuerwehrmann wohl damals gefühlt haben, wenn er nicht helfen durfte.

1939: Hessischer Landesfeuerwehrtag in Neu-Isenburg

1939 stand Neu-Isenburg Kopf: Die Isenburger Wehr richtete den 29. Hessischen Landesfeuerwehrtag aus. Nach außen hin zeigte er durch Aufmärsche und Paraden den nationalsozialistischen Geist der Zeit. Nicht das Feuerlöschwesen stand im Vordergrund, sondern die militärische Ausrichtung der Feuerlöschpolizei war unter den Augen vieler Nazi-Größen die Hauptattraktion bei diesen Festtagen. Kolonnen von Feuerwehrmännern standen in Reih und Glied auf dem Wilhelmsplatz und mussten sich die Reden der Chargierten und Braununiformierten anhören. Eine große Parade fand mit einem Vorbeimarsch in strammer Haltung an der Tribüne vor dem Rathaus in der Frankfurter Straße statt.

Im Rahmen der Veranstaltung erhielt die „Feuerlöschpolizei“ eine hochmoderne MAGIRUS Ganzstahldrehleiter vom Typ DL 24 für sechs Mann Besatzung, eine der ersten dieser Art in Hessen. Gegenüber den früheren Holz-Ausführungen bestand dieser vierteilige Leitersatz nun komplett aus Stahl. Alle Leiterbewegungen, Aufrichten, Drehen und Ausziehen erfolgten über spezielle Getriebe, gesteuert von einem Bedienungsblock aus. Die Antriebsleistung lieferte der 70 PS starke Fahrmotor über einen Nebenabtrieb am Fahrgetriebe.

Bau- und Erfindergeist – Markenzeichen der FFNI

Bereits ein Jahr zuvor wurde von den Feuerwehrmännern ein aus einem Fahrzeugpool stammender Maybach-PKW in eigener Werkstatt in einen „Geräteschnellwagen“ umgebaut. In 1.700 Arbeitsstunden entstand ein dreiachsiges Fahrzeug, das damals sicherlich eines der schnellsten Feuerwehrfahrzeuge in Deutschland war. Mit der eingeschobenen Tragkraftspritze, hatte man nun bei der Isenburger Feuerwehr zwei motorisierte „Spritzenwagen“.“

Im neunten Teil unserer Reihe berichtet Karlheinz Müller über die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs bei der Freiwilligen Feuerwehr Neu-Isenburg.