325 Jahre Neu-Isenburg – 149 Jahre Feuerwehr – Teil III: Die Ära Karl Nuß
29.01.2024Der zweite Beitrag zum Stadtjubiläum beschäftigte sich mit dem auflebenden Brandschutz in Neu-Isenburg im späten 19. Jahrhundert. Heute berichtet unser ehemaliger Stadtbrandinspektor Karlheinz Müller über den nächsten Meilenstein bei der FFNI: Die Ära Karl Nuß. Sie begann im Jahr 1907.
„Anfang des 20. Jahrhunderts war es um die Feuerwehrführung nicht gut bestellt. Die Zug-Führer suchten permanent nach einer geeigneten Person für das Amt des Feuerwehrkommandanten. Im Protokoll einer Versammlung ist dann zu lesen: „Ich wüsste da jemanden; er ist noch jung und erst seit kurzem verheiratet.“ Karl Nuß wurde eingeladen, man hielt ihn für geeignet für das Amt des Kommandanten und er erklärte sich auch bereit, Führungsverantwortung zu übernehmen. In einer kurzfristig für den 20. Januar 1907 einberufenen Generalversammlung nahm man ihn in die Feuerwehr auf und wählte ihn auch direkt zum 1. Kommandanten. Der Steinmetzmeister Karl Nuß war nun der Leiter der Freiwilligen Feuerwehr Neu-Isenburg und gehörte, da er ein begeisterter Turner war, der „Steigerabteilung“ im I. Zug an. Er führte die Feuerwehr mit starker Hand und machte sie zu einer der modernsten Wehren ihrer Zeit. Auch überregional galt er als Pionier im Feuerwehrwesen. Ab 1925 wurde die Feuerwehrausbildung stark reformiert. Das bisherige System der Zugbildung (u.a. Steigerzug, Spritzenzug, Hydrantenzug), bei dem jedem Feuerwehrmann eine spezielle Funktion zugewiesen wurde, hatte sich als nicht mehr zeitgemäß erwiesen.
Der „Einheitsfeuerwehrmann“, der auf allen Positionen einsetzbar ist. war geboren. Zukünftig wurde in der Ausbildung der „Dreiteilige Löschangriff“ mit Angriffstrupp, Wassertrupp und Schlauchtrupp gelehrt, wobei der Feuerwehrmann alle Stationen beherrschen musste. Karl Nuß stand dem Fortschritt wie immer aufgeschlossen gegenüber und führte diese Ausbildung auch bei seiner Isenburger Feuerwehr als einer der ersten Feuerwehren ein. Karl Nuß konnte stolz auf seine Vorreiterrolle sein, denn dieses Prinzip setzte sich bald landauf, landab durch. Und bis heute hat sich an dieser Art der Ausbildung nichts geändert.
Der Isenburger Feuerwehrmann Georg Becker lobte diese Ausbildung zum Einheitsfeuerwehrmann in einem Leserbrief in der Hessischen Feuerwehrzeitung Unter anderem war zu lesen: „Durch den Einheitsfeuerwehrmann habe ich wieder Lust an der Mitarbeit in einer freiwilligen Feuerwehr. Ich kann nun überall eingesetzt werden und zwar dort, wo ich gebraucht werde. Langeweile kommt nicht mehr auf.“
Am 01. Januar 1925 wurde Karl Nuß von dem Kreisausschuss zum Kreisbrandinspektor für den Kreis Offenbach ernannt. Die Vereinigung Hessischer Kreisbrandinspektoren wählte ihn dann auch noch zu ihrem Vorsitzenden. Wegen seines umfangreichen Feuerwehrwissens wurde er ab 01. Dezember 1932 zum Lehrer an der gerade neu eröffneten Feuerwehr Fachschule in Friedberg berufen.
Leider fand die Ära Nuß am 10. Juni 1933 ein jähes Ende. Nach einem Feuerwehreinsatz, einem Kaminbrand, fertigte er noch den Brandbericht, legte sich ins Bett und erlag einem Herzschlag. Sein Tod war für die Neu-Isenburger Wehr ein herber Schlag. Bei seiner Beisetzung waren Delegationen von Wehren aus ganz Deutschland vor Ort, Beweis für die Wertschätzung, die Karl Nuß weit über die Grenzen seiner Heimatstadt hinaus erfahren durfte. Karl Nuß war ein Feuerwehrmann mit Leib und Seele bis zum Schluss.“
In der Zeit nach dem 1. Weltkrieg waren die Probleme bei der FFNI insgesamt recht anspruchsvoll, es gab große Personal-Verluste und auch beim Material sah es zunächst nicht gut aus. Eines der Themen in unserem nächsten Schlaglicht.